Karel hat aus Lípa kommen wollen, hat es wohl aber nicht geschafft. Frau Mautnerová hat ihm weinend die besten Grüße bestellen lassen. Der Wohnungsschlüssel musste bei den Deutschen abgegeben werden. Frau Mautnerová bekam einen Heulanfall nach dem anderen. Die Stefanik-Hängebrücke (jetzt LeoŠ-Janáček-Brucke)17 ist seit einiger Zeit für Fußgänger gesperrt. Nachmittags in der Schule. Deutschland hat Amerika den Krieg erklärt.1 Die südamerikanischen Staaten haben sich auch gegen Japan gestellt (wohl bereits am Montag, dem 8. XII.). Papa war nachmittags im Bereitschaftsdienst. 12. XII. 1941 (Freitag) Nachmittags in der Schule. Auf dem Weg dahin habe ich sechs Umzugswagen gesehen, sie wurden mit der Einrichtung der Synagoge in der Dušní-Gasse beladen, etwa zwanzig Juden in Arbeitskleidung (unter ihnen auch Onkel Miloš) haben die Möbel geschleppt. Wir haben Evas Skischuhe abgeben müssen, weil das die Deutschen so wollten. Nachmittags zu Hause. Abends war Papa im Bereitschaftsdienst, siehe 13. XII. 1941. 13. XII. 1941 (Samstag) Vormittags mit Poppen Ich habe ihm zwei Bücher abgekauft (ein kleines deutsches und »Der kleine Lord«). Karel Mautner ist aus Lípa gekommen, wird aber bald wieder fahren müssen. Er ist dort kräftiger geworden. Nachmittags bei Oma. Sie schenkte mir eine Mütze und ein paar Münzen 17 Die Kentenbrücke aus dem Jahre 1868, ursprünglich nach Kaiser Franz Joseph I. benannt, hieß nach 1918 Štefánik-Brücke und wurde während des Protektorats in Leoš-Janáček-Brucke umbenannt. 1947 wurde sie demontiert und 1951 durch eine neue Brücke aus Beton ersetzt, die den Namen von Jan Šverma trägt. aus Lehm. Papa war die ganze Nacht von sieben Uhr abends bis Viertel vor sieben Uhr morgens im Bereitschaftsdienst auf der Polizei, genauso wie am Freitag. 14- XII. 1941 (Sonntag) Heute ist der erste Chanukkatag18, also bin ich zur Feier der Parallelklasse (IV C) gegangen. Herr Glanzberg musizierte auf der Geige, man sang und spielte Theater. Ich wurde als Klassenvorsteher der IV. B eingeladen und überbrachte dem Klassenvorsteher der IV. C Peter Heim einen Kalender der Zeitschrift »Mlady ctenar« als Geschenk. Die Kinder haben sich gegenseitig etwa 200 Geschenke (zwei volle Wäschekörbe) geschenkt. Papa hatte wieder über Nacht Bereitschaftsdienst, für den Fall, dass die Polizei etwas brauchen sollte. Bisher kam es aber nicht dazu, und so konnte Papa schlafen. Nur die Alten haben gestört, die dort Karten spielten. Nach der Feier hat mich Slávek Stein bis nach Hause begleitet und blieb dann lange bei uns, dann ging wiederum ich ihn begleiten. Unterwegs warnte man uns, dass auf der Straße geohrfeigt wird (Juden selbstverständlich), also versuchten wir unsere Sterne zu verstecken. Papa war wieder beim Bereitschaftsdienst, ein Jude hat dort wunderschön gesungen, er ist wohl auch in Holland und England als Sänger aufgetreten. Die Juden wurden nicht nur geohrfeigt, sondern auch furchtbar geprügelt, die Braunen (Vlajkaři) haben manch einem das ganze Gesicht blutig geschlagen. 18 Chanukka, das Tempel weihfest, ist ein Fest des Lichtes und dauert acht Tage. Es erinnert an den erfolgreichen Aufstand des Judas Makkabäus gegen die religiöse Verfolgung unter dem Seleu-kidenkönig Antiochos IV. Epiphanes im 2. Jahrhundert n.Chr. Die wichtigste Zeremonie der Chanukkafeiertage ist das Anzünden von Lichtern. 50 5I