r »Kommst du wahrscheinlich auch nicht.« »Noch einer, der mir nichts zutraut.« jjDas Zimmer imponierte durch seine Größe und Höhe, ein Schreibtisch stand quer, nicht an die Wand gequetscht. Raum blieb für einen runden Tisch mit Stühlen, für Bücherablagen. Hier war kein Stück neu, das war ein Bürgerzimmer, Pfarrerzimmer, für Vockert von Verläßlichkeit und Würde geprägt. »Ich hab mich nicht konzentrieren können. Wenn ich jetzt in eine Prüfung müßte!« »Das riskierst du nun das zweite Mal.« »In Halle haben sie mich rausgeschmissen, weil ich die Exerzierhampelei bei der Zivilverteidigung nicht mitgemacht habe.« »Dann hast du ein Vierteljahr rumgehangen.« »Du redest wie 'n Kaderleiter. Ich hab bei meinen Eltern den Schuppen repariert, gelesen und in die Sonne geschaut.« »Wie geht's Reichenbork?« Vockert zuckte die Schultern. Drei Wochen lang hatten sie seinen Pfarrer in einer Leipziger Klinik untersucht: Leukämie in ernstem Stadium. Nun war Reichenbork wieder daheim, schluckte Pillen und lehnte jedes Gespräch über seine Krankheit ab. Einer, der die Medizin für keine exakte Wissenschaft hielt. »Drei Jahre hat er noch oder drei Monate oder drei Wochen.« Ohlbaum ließ eine Pause folgen; das hieß, Vockert sollte zur Sache kommen. »Ich möchte, daß du mich anstellst. Friedhof, Altersheim, so was.« »Warum bleibst du nicht in Königsau?« Vockert schnaufte. Die Enge dort, jeder kannte jeden. »Sagen die Leute: Vockert, der verkrachte Student?« »Auch.« »Martin, du willst kneifen, und ich soll dir dabei helfen. Den Teufel werd ich tun. Wir lassen hin und wieder jemanden unterkriechen, der wegen eines Ausreiseantrags aus seiner Stellung geflogen ist. Oder willst du etwa nach dem Westen?« »Quatsch.« »Du bist Schlosser.« »Landmaschinenschlosser.« »Dann fang in der LPG an und zeig den Leuten, daß du arbeiten kannst. Hilf Reichenbork in der Gemeinde. Klemm dich hinter die Bücher, und in einem Jahr machst du im Seminar weiter.« »Hätte mir denken können, daß du mir die Leviten liest.« »Damit hab ich noch gar nicht angefangen. Hast du eine Ahnung, wie bei mir so was klingt!« Der Dampf schien erst einmal raus zu sein. Vockert würde diesmal, hoffte Ohlbaum, nicht mit dem Kopf gegen sämtliche Wände rennen. Er neigte zum Alles oder Nichts, solche Kerle waren eine wahre Freude und gleichzeitig die blanke Strapaze. »Wenn du Zeit findest, könntest du mir gelegentlich helfen. Ich habe einen Gesprächskreis für Ausreisewillige gegründet.« »Was hast du?« »Hab ich.« Vockert zog einen Mundwinkel hoch. »Das ist 'n Hammer.«^ I Ohlbaum blickte, als hätte er das Selbstverständlichste von der Welt getan. In diese gespielte Unschuld hin- 54 55