Lü6 Edmund Stolb-er BcdienunOSmcintalität. Der Ruf der Politik h;!'. ^'f: fnllfls Schaden genommen. Gewissen und Politik, werden in der öffentlichen Wahrnehmung immer mehr zu scheinbaren Gegensatzpaaren- Als Politiker mit Leib und Seele und aus Überzeugung schmerzt mich das und ich denke, dass wir, die Vertreter dieses Berufsstand es, der Krise der politischen Klasse mit gewissenhaftem und verantwortungsvollem Handeln begegnen müssen. Wie zeigt sich aber das Gewissen des Politikers? Ich meine, Gewissen hat etwas mir Herz und Verstand zu tun. Das lateinische Wort „oonsclentia" meint eJn .Mit-Wissen11, Der Mensch hat ein Mitwissen um 5lch selbst, Er spürt in seiner Freiheit und Personalität einen Anspruch, der fUr sein Handeln verpflichtend ist. Gewissen hat damit sowohl ein intellektuelles als auch ein emotionales Element Der Mensch muss dazu fähig selnr eine Situation mit seinem Verstand zu durchleuchten, um eine Entscheidung treffen ZU können. Aber er muss in diese Entscheidung: auch den anderen Menschen mit einbeziehen. Gr muss sich einfühlen können, muss Verantwortung übernehmen, für seine Mitmenschen, fgr seine Umwelt, für die Zukunft. Das Ist die emotionale Komponente des Gewissens. Ich bin fest davon überzeugt, dass Politik und Gewissen eng zusammen gehören. Trotzdem sollten wir als Politiker die Frage der Gewissensentscheidung auch nicht überstrapazieren. Sich bei jedem Thema auf sein Gewissen IU berufen, das ja durchaus subjektiv und daher auch unterschiedlich geprägt ist, kann einen Konsens unmöglich machen, in den meisten Fällen sind politische Fragen sowieso keine Gewissensfragen, sondern eher Fragen des klugen Ermessens, Fragen der Vernunft. Es waren aber sehr wohl Gewissensentscheidungen der Abgeordneten, als Sie 1974 und 1992 über eine Änderung des § 218 StGß abstimmten. Und es waren ebenfalls Ge wissen sent-scheidungen, als daraufhin 1974 Mitglieder der Bundestagsfraktion von CDU/CSU Verfassungsbeschwerde erhüben und 1992 die Bayerische Staatsregierung zusammen mtt zahlreichen Abgeordneten einen Normenkontrollantrag stellte. An solchen Beispielen zeigt sich die Freiheit der Ge wisse nsenr-seneidung des Politikers, die jenseits von Frakt Jons zwängen unsere demokratischen EnCSCheidungsProzesse prägt. Aktuelle Themen im Bereich der Biomedizin, der Gentechnologie oder auch der Sterbehilfe sind in demselben Zusammenhang zu sehen. Solche Fragen kann man nur bedingt und bis zu einem gewissen Grad wissenschaftlich diskutieren und überprüfen. Spätestens dann, wenn es um die Würde des Menschen geht, endet das Wissen. Dass die Würde des Menschen unantastbar ist, legt Art. i GG unverrückbar fest. In welchem Fall diese Würde jedoch berührt VJlrdl das ist oft eine Gewissensfrage. Der Einzelne, der Politiker wie auch der Bürger, der geprägt ist durch gasellscrtaftllche und religiöse Werte, durch Erziehung und Erfahrung, muss das mit seinem Gewissen abklaren. So subjektiv dieses Gewissen letztlich auch ist - für mich Ist es die Basis für politische Entsdheidungsprcize55e in diesem Bereich. Das Gewissen konstituiert nach meiner Überzeugung den Einzelnen als verantwortlich handelnde Person. Und dies*: Veranr.vtirLuny ist es, der i stellen müssen ■ Politiker uns Tag für Tag Edmund Stoiber Text 2: Michael Glos Gewissen und Macht HIN FÜHRUNG „ich bin nur eine kleine quietschende Beüagscheihe im gtvßen Räderwerk der Politik." Der Mann, der seine politische Rolls so beschreibt, heißt MICHAEL GLOS {* 1944), ist seit 1976 Mitglied des Deutschen Bundestages als direkt gewählter Abgeordneter des Bundeswahlkreises Schweinfurt-Kitzingen (bei der Erstwähl am 3. Oktober 1976 jüngster CSU-Abgeordneter), seit 1993 Vorsitzender des csu - B ezirks verba ndes Unterfranken, ebenfalls seit 1993 Mitglied des Präsidiums und Oes Parteivorstandes der csu und Vorsitzender der csu-Landesgruppe im Deutschen Bundestag und Erster Stellvertretender Vorsitzender der cdu/csu Bundes'. k}nfr,-ik\ion. Gefragt nach seiner politischen Zukunft, hat der langjährige CSU-.Landesgruppenchef" im Deutschen Bundestag einmal geantwortet: J^ch. wissen Sie ... Ich hoffe, rtanf. n.s meinem Land nie so dreckig geht, dass es auf Leute wie mich zurückgreifen muss." Kürzlich hat das Land nun doch auf ihn zurückgegriffen, Im Kabinett der großen Koalition zwischen cdu/csu und spd ist er jetzt der WirtschaStsminister. Ftwss über seine Art, die Dinge zu sehen und das Leben zu bestehen, haben die Leserinpen des wöchentlich erscheinenden Magazins „Focus" in dessen Ausgabe vom 28. Mai 2005 erfahren, dehn da hat der CSU-SpitzenPolitiker wie etliche vor und etliche nach Ihm den FOCUS-Fragebogen [FOCU5 Nr. 22 - 28. Mai2QQ5- Seite 174] ausgefüllt, und zwar so: Was gefällt Ihnen an sich besonders? Ich bin nicht leicht aus der Spur zu bringen. Welches politische Projekt wij< :?cr. Sie bäscrtieuniyi vwsert wollen? Die Sanierung der öffentlichen Finanzen. 59 Michael Glos Was treibt Sie an? Oer Wille, meinem Enkeln ein lebens- und liebenswertes Land zu hinterlassei Wem wurden Sie mit welcher Begründung einen Orden verleihen? Menschen, die schwere Schicksale meistern und dabei das Wahl anderer ii Auge haben Aufweiche eigene Leistung sind Sie besonders stolz? Auf die Eroberung meiner Frau. Wie können Sie am besten entspannen? Bei klassischer Musik oder bejm Wandern mit Freunden im Steigerwald. Was Ist für Sie eine Versuchung? Ein Bocksbeutel frankischer Silvaner. Was war Ihr schönster Lustkatif? Ein Gemälde von Boris Birger. Schenken Sie uns eine Lebensweisheit... Wer zur Quelle will, muss gegen den Strom schwimmen können, Für welchen Maler würden 5ie viel Geld ausgehen? Ich spare noch für ein Bild von Professor Ernst Fuchs. Wo hätten Sie gern ihren Zweitwehnsitz? Immer noch in Berlin. Was können Sie besonders gut kochet Ganz ehrlich, ich kann nicht kochen. IVas wäre ihre Henkersmahlzeit? Ich bin ein entschiedener Gegner der Todesstrafe. Mit wem würden Sie gern einen Monat tanff tauschen? Mit einem Zugvogel. Hier können Sie drei Bücher loben Michael Gl« 159 Imre Kertesz „Roman eines Schicksals! osen", Ephraim Kishon „ Blau milch ka-nal\ Ludwig TJloma jozef Filsers BriefwexeP. Wo bleiben Sie beim Zappen hängen? Bei den Börsenkursen. Wo zappen Sie immer weg? Bei Machmittags-Talk-Shows, Ihre Lieblings Schauspielerin? Iris Derben, Julia Roberts- Ihr Lieblingsschauspieler? Sean Connery. Ihre Lieblingsfigur m der Geschichte? Paris. Sohn des Königs Priamos von Troja. Was sagt man Ihnen nach? Der ist ja gar nicht so. Was mögen Sie an Sich gar nicht? Manchmal mein gutes Gedächtnis. .Ihr Uebtingspotltiker?'' - danach hat der „FOCUS-Fragebogen* Michael Glos nicht gefragt. Ob dieser das begrüßt oder bedauert hat, ist ungewiss. Gewiss dagegen ist, dass ein Wort des 16. Präsidenten der United States of America, Abramm Lincoln (1609-1865), ihm so gut gefallen bat, dass er seine Rede, die er im Rahmen der Generaldebatte zum Bundeshaushalt am 8. September 2004 hielt, damit beschloss. Pas Wort, das Abraham tincoln tatsächlich einmal gesagt haben soll, lautet: „Man kann alle Leute für einige Zelt und einige Leute für alle Zeit, nicht aber alle Leute für alle Zeit hinters Licht führen.- Wer wie Michael Glas ein Wort wie dieses liebt, dem geht es - und gerade auch das hat er in seiner Rede zum Bundeshaushalt 2004 betont - um eine Politik, die ..auf der Basis von Klarheit und Wahrheit bleibt". Das Verhältnis von Macht und Moral gehört zu den klassischen Themen der politischen Ethik. Und so sucht denn Michael Glos da einen klaren Standpunkt dadurch zu beziehen, dass er die GrbBsn „Machr und „Gewissen" als miteinander zu vereinende und darum auch zu vereinbarende Größen bedenkt. Dabei geht er van der Beobachtung aus. dass GewissensgrOnde im Regelfalt von Eimeinen oder Minderheiten gegen Herrschende oder Mehrheiten in Anspruch genommen werden, so dass von Fall zu Fall der - falsche - Eindruck entsteht, „Gewissen" und „Macht* seien sich SO fremd wie sich nach einem gängigen Vorurteil „Geist" vnd ..Macht" fremd sind.