233 Immanuel Kant Text 1: Immanuel Kant Innerer Richter r Immer Lei Kant 239 hin FÜHRUNG Ifi seinem „Versuch einer Analyse des moralischen Bewußtseins' aus dem Jahre 1864 schreibt der Philosoph Wilhelm orths/ (1833-19111 über den Philosophen IhnakiuB. KaSJ (1724-1804): „Er hat das Gewissen vor sich selber deutlich gemacht und vor sfcfc selber gerechtfertigt." Das und nicht nur des ist dem Konigsberger Philosophen in der Tat bestens gelungen, denn seine „praktische" Philosophie hat „Autonomie" und nicht „Heteronomie" des Gewissens geiehrt. Klassisch hat dies Immanuel Kant, der Träger der Humanität der Aufklärung, in seiner Schritt „Beantwortung der Frage; Was ist Aufklärung?" [17s4] auf den Punkt gebracht. In dieser Schrift, die bekanntlich mit den programmatischen Sätzen anhebt: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus sehner selbst verschuldeten Unmündigkeit Unmündigkeit Ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des berstendes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne teitung eines andern zu bedienen. Sapere aude! Hatte Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!, ist also der Wahlspruch der Aufklärung. plädiert dann Immanuel Kant auch für dss „mündige" Gewissen, das der „Vormundschaft" durch „Vorgesetzte" nicht bedarf. Bn „Schritt zur Mündigkeit", meint Immanuel Kant, sei der Wilie, nicht ..einen Seelsorger, der für mich Gewissen hat", ZU haben, sondern selbst Gewissen ZU hüben Damit ist der beste Teil des Ethos der Aufklärung gültig und stimmig zur Formel geronnen, dank derer, so deren Gehalt „in praxi" Gestelt annimmt, in puncto „Ethik und Ethos" SO gut wie alles gewonnen ist. .Pflicht, du erhabener, großer Name .,.", schreibt Immanuel Kant in seiner „Kritik der praktischen Vernunft" [1788] in feierlichem Tan, denn schließlich ist „Pflicht1' der Grundbegriff seiner Moralphilosophie. Darin, dass des Moralische Pflichtcharakter hat, drückt sich die Erhabenheil des Sittengesetzes aus, ist der Standpunkt der Kantischen Ethik. Diese ist Pflichtethik im klassischen Sinn des Wortes. Sittliches Handeln ist Handeln aus Pflicht oder nicht sittliches Handeln, sagt die MoralphtloSOphle des Philosophen Immanuel Kant. Was das Handeln moralisch macht, ist, dass es Bäu$ Pflicht" und nicht „aus Neigung" geschieht. Adf die Pflicht und nur darauf kommt, sc Immanuel Kant, „in rebus moralibus" alles oft. Heißt das dann, dass allein die Handlung, die aus Pflicht (und) gegen die Neigung geschieht, moralisch ist? Der Dichter FmemicM Schiller, Immanuel Kants großer Schüler, hatte offensichtlich die sen Eindruck. Hätte er sonst dieses Distichon geschrieben? G ewiss enssk rupel: Gerne dient' ich den Freunden, dach tu' ich's leider mit Neigung, Und so wurmt es mich oft, daß ich nicht tugendhaft bin, Immanuel Kant, dem es bei allem, so auch bei den Dingen der Ethik und des Ethos, um das Unbedingte In allem Bedingten ging, macht seine „praktische" Philosophie am Gedanken der Pflicht fest Dass Immanuel Kants Gewissensbegriff ganz auf Seinem Pflichtbegriff aufruht, ist dann nur logisch, und so definiert der Konigsberger Philosoph in seiner Schrift „Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft" [1793] „Gewissen'' dann auch so- .Das Gewissen ist ein Bewußtsein, das für sich selbst Pfticht ist." Die Stimme des Gemssens ist die Stimme der Pflicht, die Stimme der Pflicht aber die Stimme des Sittengeselzes als kategorischer Imperativ. Handeln aus Gewissen ist Handein aus Pflicht, denn es bleibt dabei: der (preußische?) Gedanke der Pflicht ist Immanuel Kants em und alles. Das pflichtbewusste Handeln ist eo ipso auch das gewissenhafte Handeln, meinte der .kritische" Philosoph, der vor Kritikern und Kritiken keine Angst hatte, wusste er doch' „Widerlegt Zü werden, ist keine Gefahr, VrOhl aber, nicht verstanden zu werden. " Eines gilt freilich für alle, die sich anschicken, in der Philosophie etwas Neues zu lehren: dass Sie nämlich mit reinem intellektuellen Gewissen Immanuel Kants „kritische1" Schriften zum rechten Gebrauch der „reinen" und der „prak' tischen Vernunft" nicht übergehen können. .Die Philosophie wird niemals wieder so naiv sein wie zu früheren, schüchteren Zeiten; sie musste anders und tiefer werden, weil Kant gelebt hat." schreibt Wm Dutum (1885-1931) in seinem Buch „Die großen Denker" (Zürich 71945), In 5achen „Gewissen" hetßt das: mit Immanuel Kant ist man darin nicht „so nzilv" wie Ohne ihn, Und dass dem so Ist, ist gut so. Innerer Richter Eben so ist das Gewissen nicht etwas Erweisliches und es gibt keine Pflicht, sich eines anzuschaffen; sondern jeder Mensch, als sittliches Wesen, hat ein solches ursprunglich in sich. Zum Gewissen verbunden zu sein, würde so viel Sager als: die Pflicht auT sich haben, Pflichten anzuerkennen, Denn Gewissem ist dfe dem Menschen in jedem Fall eines Gesetzes seine Pflicht zum Lossprechen oder Verurteilen vorhaltende praktische Vernunft, Seine Beziehung also ist nicht die auf ein Objekt, snndern hieß aufs Subjekt (das moralische Gefühl 24D ImnnaruEl Kant durch ihren Akt ru affilieren), also eine unausbleibliche Tatsache, nicht eine Obliegenheit und Pflicht. Wenn man daher sagt: Dieser Mensch hat kein Gewissen, sc- meint man damit: er kehrt sich nicht an den Ausspruch desselben. Denn hätte er wirklich keines, SO würde er sich auch nichts als pflichtrnäfJlg zurechnen, oder als pflichtwidrig vorwerfen, mithin auch selbst die Pflicht, ein Gewissen zu haben, Eich gar nicht denken können. Die mancherlei Einteilungen des Gewissens gehe ich noch hier vorbei und bemerke nur, was aus dem eben Angeführten folgt daß nämlich ein irrendes Gewissen ein Unding sei, Denn in dem objektiven Urteile, ob etwas Pflicht set oder nicht, kann man wohl bisweilen irren; aber im subjektiven, ob Ich es mit meiner praktischen (hier richtenden) Vernunft zum Behuf jenes Urteils verglichen habe, kann ich nicht irren, weil ich alsdann praktisch gar nicht geurteitt haben würde; in welchem Fall weder Irrtum noch Wahrheit statt hat Gewrs-senloslgkeit Ist nicht Mangel des Gewissens, sondern Hang, sich an dessen Urteil nicht zu kehren. Wenn aber Jemand sich bewußt Ist, nach Gewissen gehandelt zu haben, so kann von ihm, was Schuld oder Unschuld betrifft, nichts mehr verlangt werden. Es liegt ihm nur ob, seinen Verstand Über dasr was Pflicht ist oder nicht, aufzuklaren; wenn es aber zur Tat kommt oder gekommen ist, so spricht das Gewissen unwillkürlich und unvermeidlich. Nach Gewissen zu handeln kann also selbst nicht Pflicht selnr wall es sonst noch ein zweites Gewissen geben müßte, um sich des Akts des ersteten bewußt zu werden. Die Pflicht Ist hier nur, sein Gewissen zu kultivieren, die Aufmerksamkeit auf die Stimme des inneren Richters zu scharfen und alle Mittel anzuwenden (mithin nur indirekte Pflicht), um Ihm Gehör tu verschaffen. (531-532) (...) [...) Das Bewußtsein eines inneren Gerichtshofes im Menschen (..vor welchem sich seine Gedanken einander verklagen oder entsci1.. digrn1') ist cas Gewissen, Jeder Mensch hat Gewissen, und findet sich durch einen inneren Richter beobachtet, bedroht und überhaupt im Respekt (mit Furcht verbundener Achtung) gehalten, und diese über die Gesetze in ihm wachende Gewalt ist nicht etwas, W3E er sich selbst [willkürlich) macht, sondern es ist seinem Wesen einverleibt. ES folgt Ihm wie sein Schatten, wenn er zu entfliehen gedenkt. Er kann sich zwar durch Lüste und Zerstreuungen betäuben, oder in Schlaf bringen, aber nicht vermeiden, dann und wann zu sich selbst zu kommen, oder zu erwachen, wo er alsbald die furchtbare Stimme desselben vernimmt. Er kann es, in seiner äußersten Verworfenheit, allenfalls dahin bringen, sich daran gar nicht mehr zu kehren, aber sie zu hören kann er dach nicht vermeiden. Diese ursprüngliche intellektuelle und (weil sie Pflichtvorstellung ist) moralische Anlage, Gewissen genannt, hat nun da* Besondere in sich, daß, ob zwar dieses sein Geschäfte ein Geschäfte des Menschen mit Sich selbst ist, dieser sich doch durch seine Vernunft genötigt sieht, es als auf das GeheiS einer anderen Person zu treiben. Denn der Handel ist hier die Führung einer Rechtssache (causa] vor Gericht. Daß aber der durch sein Gewissen Angeklagte mit dem Richter als eine und dieselbe Perscn vorgestellt werde, ist eine ungereimte Vorstellungsart von einem Gerichtshofe; denn da würde ja der Ankläger jederzeit verlieren. - Also wird Sich das Gewissen des Menschen bei allen PFlichten einen arrdererc (als den Menschen überhaupt), d- i- sich selbst zum Richter seiner Handlungen denken müssen, wenn es nicht mit Sich selbst im Widerspruch stehen soll. Diese andere mag nun eine wirkliche, oder bloß idealistische Person sein, welche die Vernunft sich selbst schafft. Eine solche idealistische Person (der autorisierte Gewissensrichter) muß ein Herzenskündiger sein; denn der Gerichtshof ist im Inneren des Menschen aufgeschlagen - zugleich muß er aber auch etlverpfflchtendr d, i eine solche Person sein, oder als eine solche gedacht werden, in Verhältnis auf welche alle Pflichten überhaupt auch als ihre Geböte anzusehen sind; well das Gewissen über alle freie Handlungen der innere Richter Ist. - - Da nun ein solches moralisches Wesen zugleich alle Gewalt (im Himmel und auf Erden) haben muß, well es sonst nicht (was doch zum Richteramt notwendig gehört) seinen Gesetzen den ihnen angemessenen Effekt verschaffen könnte, ein solches über alles machthabende moralische Viesen aber Sott heißt: so wird das Gewissen als subjektives Prinzip einer vor Gott seiner Taten wegen zu leistenden Verantwortung gedacht werden müssenj ja es wird der letztere Begriff [wenn gleich nur auf dunkele Art) in jenem moralischen Selbstbe- lußtseln jederzeit enthalten sein. (573-574) Immanuel Kant Text 2: Friedrich Nietzsche Stimme einiger Menschen im Menschen HlNFÜHRUNG Erzählt ZU den großen Denkern des 19, Jahrhunderts, die machtigen Einfluss auf das 20. Jahrhundert genommen haben: der „mit dem Hammer" sind mit emphatischer Subjektivität philosophierende Frtedkich Ninzscur (1844-1900). Dieser die „Umwertung alier Werte" fordernde und fordernde Philosoph schreibt im letzten Kapitel seiner IBBB entstandenen autobiographischen Schrift „Ecce homo": „Es wird sich einmal an meinen Namen die Erinnerung an etwas Ungeheures anknüpfen, an eine Krisis, wie es keine auf Erden gab